Mehrere US-Bundesstaaten haben in den letzten Jahren eine neue Flagge erhalten, darunter Mississippi, Utah und zuletzt Minnesota. Nun können die Bürger in Maine im Rahmen eines Referendums abstimmen, ob das aus einem Wettbewerb als Siegerentwurf hervorgegangene Flaggendesign für die zukünftige Flagge des Bundesstaates übernommen werden soll. Doch das Vorgehen in Maine wirft Fragen auf.
Seit langem gibt es in vielen US-Bundesstaaten Diskussionen, inwieweit die aktuelle Flagge noch passend und geeignet ist, den jeweiligen Staat und die darin lebenden Menschen zu repräsentieren. In den letzten drei, vier Jahren hat das Thema deutlich an Dynamik zugelegt.
Immer mehr Menschen fühlen sich offenbar von der Symbolik und der oftmals überladenen Gestaltung der Flaggen, die in der Regel vor über 100 Jahren entstanden sind, nicht oder nur noch bedingt repräsentiert, so auch eine im Vorfeld des Designprozesses in Utah durchgeführte Befragung. Utah hat seit zwei Jahren eine neue Flagge. Teilweise stehen die Flaggen auch deshalb in der Kritik, wie in Minnesota, da die Gestaltung als herabwürdigend gegenüber der Gruppe amerikanischer Ureinwohner angesehen wird.
Während in Mississippi, Utah und Minnesota jeweils mehrstufige, aufwendige Wettbewerbe durchgeführt wurden, aus denen eine hohe Anzahl an sehr unterschiedlichen Designs hervorgegangen ist, da vergleichsweise wenige Gestaltungsvorgaben gemacht wurden, ist in Maine per Erlass durch die Landesregierung vorgegeben gewesen, wie eine zukünftige Flagge aussehen soll: als Grundlage diente hierbei jene Flagge, die Maine in den Jahren 1901 bis 1909 verwendet hatte. Drauf abgebildet ist eine Kiefer (pine tree) sowie ein fünfzackiger Stern. Maine ist bekannt als „Pine Tree State“.
Anfang des Jahres wurde ein Gesetzentwurf mit großer Mehrheit verabschiedet („Act to Restore the Former State of Maine Flag“). Initiiert wurde das Vorhaben von Sean Paulhus, Abgeordneter des Landesparlaments und Angehöriger der Democratic Party. Da das Aussehen und die Gestaltung einer möglichen zukünftigen Flagge im Gesetz sehr konkret vorgegeben ist, ähneln sich alle Entwürfe, die im Rahmen des Wettbewerbs in Maine eingereicht wurden. Bei allen 400 eingereichten Entwürfen sind eine grüne Kiefer sowie ein blauer Stern dargestellt, beide auf sandfarbenem Grund. Abstände, Größen, Proportionen und die Anzahl der Zacken des Sterns wurden vorgegeben.
Top 10 Entwürfe

Ein von Shenna Bellows (Secretary of State of Maine) geleitetes Gremium, das mit Abgeordneten verschiedener Parteien sowie mit Archivaren und Historikern besetzt ist, wählte die ihrer Meinung nach 10 besten Entwürfe (Abb. oben). Anders als in Mississippi, Utah und Minnesota gehören dem Gremium in Maine offenkundig weder Vexillologen (Flaggenkundler) noch Designer an, auch keine Personen/Bürger/Nicht-Politiker aus anderen Interessengruppen. Im Gegensatz zu dem Vorgehen in Minnesota wurde in Maine auch kein Designbüro konsultiert, das bei der Feinjustierung, Optimierung und Finalisierung der Gestaltung unterstützt und den gesamten Prozess begleitet.
Derzeitige Flagge von Maine

Im November können die Bürger in Maine, im Rahmen der General Election am 5. November, der US-Präsidentschaftswahl 2024, darüber abstimmen, ob das vom Gremium zum Sieger gekürte Flaggendesign die derzeitige Flagge (Abb. oben) ablösen und somit zur neuen Bundesflagge von Maine werden soll. Entworfen hat die Flagge Adam Lemire, ein in Gardiner lebender Architekt.
Kommentar
Lokale Medien berichten, dass auf dem Stimmzettel keine Abbildung des Flaggendesigns enthalten sein wird. Wie kann das sein, frage ich mich. In Neuseeland scheiterte 2016 ein ähnlicher Prozess am fehlenden Zuspruch seitens der Bevölkerung. Verfahrensfehler bzw. ein zu kompliziertes Prozedere bei der Stimmabgabe könnten dort das negative Votum und die Ablehnung des Flaggendesigns begünstigt haben. Ein Stimmzettel, wie in Maine, auf dem keine Darstellung der Flagge abgebildet ist, mag rechtlich gesehen eventuell kein Verfahrensfehler sein. Doch ist ein solches Vorgehen klug? Angaben unter datapandas.org zufolge können 7,4 Prozent der Erwachsenen in Maine nicht bzw. nicht gut lesen. Zudem ist die Fragestellung auf dem Stimmzettel irreführend (denn Ziel ist nicht die „former state flag“ von 1901 wieder einzuführen, sondern die aktuelle Flagge durch ein Flaggendesign abzulösen, welches eine Art Neuauflage der Ursprungsflagge darstellt). Auch sonst ist das Vorgehen in Maine, im Vergleich zu den anderen genannten US-Bundesstaaten, recht eigen, um nicht zu sagen eigenbrötlerisch.
Ein ergebnisoffener Designprozess, in dem von Seiten der politischen Verantwortlichen weniger restriktive Vorgaben gemacht worden wäre, böte die Chance, ein wirklich prägnantes Flaggendesign hervorzubringen. Einen Entwurf, der vollumfänglich den Prinzipien für gutes Flaggendesign entspräche (Verweis NAVA „Five Principles“).
Klar, im Vergleich zur derzeitigen überladenen Flagge ist der ausgewählte Flaggenentwurf von Lemire einfacher, so gesehen (relativ) besser. Allerdings ist die Kiefer-Darstellung schlichtweg zu detailreich, zu illustrativ, als dass sie dem Prinzip der Einfachheit entspräche. Eine abstrahierte Baumdarstellung wäre in dieser Hinsicht sinnvoller, etwa wie bei der vor vier Jahren im Rahmen der 200-Jahrfeier veröffentlichten Jubiläumsflagge (Abb. unten).

Von dieser Gestaltung ausgehend hätte ich gerne, eingebunden in einen wirklich offenen, partizipativen Design- und Entwicklungsprozess, Ableitungen und Weiterentwicklungen gesehen. Mehr oder weniger zur historischen Flagge zurückzukehren, empfinde ich als rückwärtsgewandt. Ich vermisse einen Entwurf, von dem ein in die Zukunft weisendes Signal ausgeht.
Die Menschen in Maine haben, das wird auch mit einem Blick auf die vor kurzem herausgegebenen KFZ-Kennzeichen mit Kiefern-Darstellung deutlich, großen Gefallen an ihrer Kiefer als Symbol. Doch ein gutes Flaggendesign sollte über das Pittoreske und Gefällige hinausgehen. Und das fehlt bei der von Lemire gezeichneten Flagge – letztlich geht es allen Top-Ten-Entwürfen ab.
Das Design der neuen Flagge von Minnesota ist überzeugender. Das Vorgehen und den Entstehungsprozess in Minnesota würde ich als vorbildlich bezeichnen. Vielleicht ein Zufall. In den letzten Tagen ist der US-Bundesstaat im oberen Mittleren Westen der USA im Zuge der Nominierung von Tim Walz als möglicher Vize-Präsident von Kamala Harris in den Fokus gerückt. Alle Medien wollen plötzlich wissen, wer der Gouverneur von Minnesota ist, was er so macht. Auch die politischen Verantwortlichen in Maine hätten intensiver nach Minnesota schauen können, um sich dort Inspiration für die Ausgestaltung des Designprozesses zu holen.
Neues Flaggendesign oder Beibehaltung der alten Flagge?
Heute ist Election Day, und wir sind stimmberechtigte Bürger von Maine. Wie würdest Du abstimmen? Die Fragestellung entspricht der offiziellen Formulierung, wie sie auf dem Stimmzettel aufgeführt sein wird. Wer dabei mit „Yes“ stimmt, plädiert für die Übernahme des neuen Flaggendesigns. Wer mit „No“ stimmt, ist für die Beibehaltung der derzeitigen blauen Flagge.
Hinweis: In diesem Beitrag ist eine Umfrage eingebunden. Bitte besuche die Website, um an dieser Beitrags-Umfrage teilzunehmen.Mediengalerie





